Champagner saufen

Neulich rief mich UPS an, weil das Presswerk meine Dionysos-Platte eine unvollständige Adresse angegeben hatte. Der Mann am Telefon teilte mir mit, was das Problem sei und sagte plötzlich: Ich kenne sie! Ja, jetzt fällt es mir ein, ich war bei ihrem Releasekonzert - 2021 - im Gewandhaus. Ihnen habe ich zu verdanken, dass ich jetzt lese! Verdutzt und neugierig fragte ich, wie ich das denn gemacht hätte. Sie haben auf der Bühne erzählt, wieviel es Ihnen bedeutet hat, “Die unendliche Geschichte” zu lesen. Und da dachte ich: Aha, wenn Lesen sowas mit Menschen macht, dann sollte ich vielleicht auch mal damit anfangen. Dann habe ich mir “Die unendliche Geschichte” bestellt, durchgelesen und seitdem lese ich!

Das war mit Sicherheit der schönste UPS-Anruf in meinem leben, wenn nicht überhaupt einer der schönsten Anrufe. Wundern sollte es mich aber eigentlich nicht, habe ich mich in meinem Philosophiestudium doch besonders gern mit den kunstphilosophischen Theorien von Gilles Deleuze und Nelson Goodman beschäftigt, die auf mannigfaltige Weise beschreiben, inwiefern Kunst, Philosophie und Wissenschaft miteinander verwandt sind, unsere Welt erzeugen und verändern. Außerdem hat Kunst auch mein Leben schon viele, viele Male ganz konkret verändert, in Fahrt gebracht, zusammengehalten, aufgefangen, verarbeitet und wieder in den Kosmos gespuckt.

Diesen Song zum Beispiel, Champagner saufen, hätte ich wohl nie geschrieben, wäre ich in der Celler Schule nicht jemandem begegnet, der nur Songs zu diesem einen Thema schrieb. In Auseinandersetzung mit diesen Songs, begann ich zu bemerken, dass ich schon immer an das Thema geglaubt, mich aber nie investiert und gehörig informiert hatte. Das muss wohl auch an meinem allgemeinen Pessimismus der Menschheit gegenüber liegen. Denn ich war immer der Meinung, dass wir verdient haben, was da auf uns zurollt, wenn wir es eben nicht schaffen, mehr als das gefährlichste Raubtier der Welt zu sein, welches dumm und maßlos genug ist, seinen eigenen Lebensraum zu zerstören. Bei einem nächtlichen Gespräch auf der Parkbank wurde ich dann aber gefragt: Aber Laura, es werden Kriege kommen, geliebte Menschen werden gegeneinander kämpfen, alle Moral wird jämmerlich versiegen - willst du das wirklich erleben?

Ich möchte es nicht erleben und ich möchte es nicht mit ansehen müssen. Deshalb denke auch ich, dass wir alles Menschenmögliche dafür tun müssen, damit es nicht dazu kommt. Champagner saufen ist nur einer meiner klitzekleinen Beiträge, die ich dazu leisten möchte.

Ich war übrigens eine ganze Weile etwas ratlos, was ich dem Song für ein Musikvideo geben soll und kann. Dann stöberte ich in der alten DVD-Sammlung meines Vaters und mir kam ein Einfall: Das große Fressen...

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